Schlammschlacht am Polarkreis

Wir beide stehen vor Dreck als wir unsere Hände in der Luft zusammenklatschen! Wir haben es geschafft! Wir haben den nördlichste Zipfel Amerikas, an den man mit dem eigenen Fahrzeug fahren kann, erreicht. Die Fahrt über den 666 Kilometer langen Dalton Highway war die reinste Schlammschlacht und hat uns ganz schön gefordert.

Im ersten Drittel der Strecke überquert man den Polarkreis

 

Prudhoe Bay – Wir haben den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht!

 

Zugegeben, wir haben zuvor überlegt, ob wir die Strecke überhaupt fahren sollen oder ob wir es nicht auch wie die meisten anderen Motorradfahrer machen, die am Polarkreis ein Erinnerungsfoto schießen, um dann wieder zurück zu fahren. Immerhin spart man so gut 1000 Kilometer durch wirklich üblen Dreck. Unsere Erwartungshaltung bezüglich der Streckenführung war offen gestanden auch eher gering. Eine Dirt-Road eben, die entlang der Alaska-Pipeline bis zu den Prudhoe-Bay-Ölfeldern am Arktischen Ozean führt. Nichts wirklich besonderes… Doch wir haben uns getäuscht, denn die Strecke gehört zu den schönsten und interessantesten, die ich je gefahren bin.

Der Dalton Highway verläuft durch dichte Wälder, überquert den Yukon River, schlängelt sich durch die verschneiten Berge der Brooks Range und endet dann in der unendlichen Weite der Tundra irgendwann am Meer. Man bekommt viele Tiere zu sehen, muss den großen Trucks ausweichen, die die Ölfirmen beliefern und unterwegs ist man gezwungen mit dem Sprit hauszuhalten, denn auf dem 410 Kilometer langen und letzten Teilstück von „Coldfoot“ bis „Deadhorse“ gibt es keine Tankstelle.  Fahrtechnisch ist diese Schotterpiste nicht besonders anspruchsvoll – zumindest solange es trocken ist. Was soll ich sagen, bei uns hat es geschüttet wie aus Eimern…

Unterwegs trifft man jede Menge Biker, die spannende Geschichten zu erzählen haben…

 

Zwei Tage benötigen wir für die Strecke von Fairbanks bis ans Ziel in Deadhorse. Da man mit dem Motorrad nicht bis ans Polarmeer fahren kann, da die Ölanlagen von privaten Sicherheitsunternehmen wie eine Festung  gesichert werden, buchen wir eine organisierte Tour. Knapp 50 Euro kostet der wirklich lohnenswerte Ausflug, bei dem man sehr viele interessante Fakten erfährt und als Höhepunkt einem alten Ritual folgt und den Zeh in das verflucht kalte Wasser taucht. Es ist schon ein wirklich lustiges Bild, wenn am Strand mehrere Dutzend Touristen (größtenteils Motorradfahrer) ihre Füße im Meer waschen:-)

Die meisten Reisenden kommen in einem der Ölarbeitercamps unter und im Schnitt muss dafür etwa 100 Euro pro Person und Nacht veranschlagt werden. Alain und ich haben wild gezeltet, ohne zu wissen, dass dies aufgrund der vielen Bären (Grizzlys und ab Juli auch Eisbären) eigentlich verboten ist.

In der Weite der Tundra
Traumhafte Piste zu Beginn des Dalton Highway

 

Auf dem langenWeg zurück dann der Schock. Mitten im Nichts, mehrere hundert Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt geht mein völlig eingesautes Motorrad während einem starken Regen plötzlich aus. „Oh nein!“, denke ich, “bitte nicht die Elektrik”. Was für eine Scheiße! Wenn mir vor einer Sache auf Motorradreisen graut, dann ist es ein Elektrikschaden – besonders dann, wenn man sich wirklich am Arsch der Welt befindet. Es ist wie verhext,bei starkem Regen geht der Motor immer wieder aus, um dann nach einer Wartezeit von etwa zehn Minuten wieder anzuspringen. Doch wie finde ich den Fehler? Mit einer kleinen Sprühflasche habe im Stand und bei laufendem Motor Wasser aus einer Pfütze auf alle verdächtigen Baugruppen gesprüht. Die Erleichterung war riesig, als ich bei der Zündkerze fündig wurde. Scheinbar hatte ich beim letzten Kerzenwechsel die neue Kerze nicht fest genug angezogen, denn kleine Luftbläßchen verrieten mir, dass hier das Wasser eindringt und den Zündfunken unterbricht. Dieses Problem war wirklich schnell gelöst. Wenn es auf früheren Reisen doch immer sooo einfach gewesen wäre…. Seitdem läuft mein geliebtes Mopped wieder wie gewohnt wie ein Uhrwerk.

Motorradfahren kann auch ganz schön anstrengend sein…

 

 

„Deadhorse“ ist neben „Coldfoot“ die einzige Siedlung auf der Strecke. Die namen der Orte sind wirklich genial…:-)

Mittlerweile sind wir in der Stadt Fairbanks angekommen. Eine nicht gerade spektakuläre Stadt. „Welcome Riders“, so werden Motorradfahrer an der Universität von Fairbanks mit einem großen Schild begrüßt. Da der Dekan der „University of Alaska“ wohl ein begeisterter Motorradfahrer ist, gibt es auf dem Campus die Möglichkeit für vergleichsweise „kleines Geld“ in einer Studentenbude unterzukommen. Gratis Waschmaschinen, Hochgeschwindigkeits Internet und ein Shuttle Service in die Stadt inklusive. Wir verbringen nun unsere Zeit damit, die Motorräder wieder zu reinigen. Da der Dalton Highway ständig mit Kaliumchlorid als Festigungsmittel gewässert wird, um die Staubbildung zu verhindern, sollte man die Reinigung sehr gewissenhaft durchführen. Das Zeug ist richtig agressiv und der Schlamm, der das Motorrad überzieht ist so, als hätte man flüssigen Gips über das Motorrad gekippt.

Die meiner Meinung nach größte „Attraktion“ der Stadt ist Dan Armstrong, der mit seinem Sohn Shawn in einem ruhigen Wohngebiet eine Schrauberwerkstadt betreibt. „Adventure Cycleworks“ hat sich auf Motorradreisende und Reiseenduros spezialisiert. Fast die ganze Zeit verbringen wir bei ihm. Nicht, weil die Motorräder repariert werden müssten – nein, es ist die angenehme Atmosphäre und das ständige Kommen und Gehen von anderen Reisenenden, mit denen man sich austauchen kann. Es ist ein leichtes, hier binnen kürzester Zeit wertvolle Kontakte zu knüpfen. Hinzu kommt, dass Dan ein begnadeter Schrauber ist und er wirklich unglaubliche Geschichten erzählen kann. Jeder, der nach Fairbanks kommt, sollte Dan unbedingt einen Besuch abstatten. Ach ja, „No Harley Davidson please“…

http://www.advcycleworks.com/

Dan ist wirklich ein Unikat. Ein „real character“ würde der Amerikaner sagen…

6 Kommentare zu „Schlammschlacht am Polarkreis“

  1. Ich bin wirklich neidisch …
    Aber sehr froh, wenigstens vor dem Rechner ein wenig von Euren Eskapaden mit zu kriegen. Das Bild von Dir neben dem Mopped sitzend, könnte gut das nächste Buch Cover schmücken, oder?
    Grüße dem tropischen Berlin 🙂

  2. Es ist immer wieder eine Freude eure Geschichten und Erlebnisse mitverfolgen zu können. Auch die Bilder passen dazu und wie Konrad schon schreibt, es kommt schon Neid auf :-).

    Weiterhin gute Tage und Grüße aus dem regnerischen Revier.

  3. Uwe Pilgermayer

    Hi,
    deinen Blog zu verfolgen macht riesigen Spaß!
    Ich hoffe, nach dem Bild wie du neben dem Motorrad sitzt, daß ihr euren Spaß nicht verliert, auch wenn du da ganz schön fertig aussiehst.
    Wünsch euch weiterhin spannende Erlebnisse….

    Uwe

  4. Pieter van der Tas

    Ist schon tol was ihr so alles erlebt und es wird wohl spannend bleiben. Ich sollte Alain berichten das Anc gut gelandet mail adresse von Alain unbekannt.
    Viel spaß und das beruhmte körnchen Glück weiterhin.
    Pieter

  5. da lag ich ja falsch mit meiner schadensvermutung : ) aber richtig damit, dass es nix schlimmes war.
    saugeile bilder! echt beeindruckend. ich freu mich schon riesig auf deinen nächsten film von dieser reise!
    weitermachen!

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