Mann, war ich gespannt, wie pünktlich meine thailändischen Freunde wohl sein würden. Schließlich ist Pünktlichkeit nicht unbedingt ein Begriff, der einem zuerst einfällt, wenn man an Thailand denkt. Nachdem, was ich in den vergangenen Wochen so erlebt habe, würde ich sagen, dass sich z.B. Öffnungs- oder Abfahrzeiten eher an der inneren Uhr orientieren (schönen Gruß an meinen Freund Alain…:-)). Umso erstaunter war ich, als ich um 06:50 Uhr auf den Hof von Panda Rider rollte und die sechs Jungs bereits auf mich warteten. Mindestens genauso überrascht wie von ihrer Zuverlässigkeit war ich von den Motorrädern, die dort standen. Zugegebenermaßen hatte ich etwas anderes, vielleicht einen ein wenig in die Jahre gekommenen Fuhrpark erwartet. Doch scheinbar kann man in Thailand als Motorradjournalist oder Zweiradhändler einen satten Haufen Kohle verdienen (Zuwachsraten von 1000% im letzten Jahr…). Anders kann ich mir nicht erklären, wie man sich sonst die aktuellen Modelle von Firmen wie Ducati, BMW, Triumpf oder Yamaha leisten kann. Aufgrund des hohen Einfuhrzolls kosten diese nämlich erheblich viel mehr als in Deutschland und sind somit, bei einem durchschnittlichen Einkommen von rund 150 Euro pro Monat, vorrangig der Oberschicht vergönnt. Ich war schwer beeindruckt!
Obwohl Bangkok von zähfließendem Verkehr gelähmt wird, was die momentanen Proteste in der Hauptstadt noch zusätzlich verstärkt , ist es doch erstaunlich, wie zügig man auf den verstopften Straßen vorankommen kann. Zumindest dann, wenn man auf einem Zweirad sitzt und den Feierabendverkehr meidet, worauf ich später noch zu sprechen komme. Bangkoks Verkehr – so scheint es – wird in erster Linie von kleinen Motorrädchen und Rollern dominiert. Wie Ameisen wuseln sie sich unermüdlich und zu abertausenden durch die Lücken der meist stehenden Autos und sammeln sich dann wieder als riesiger Pulk vor der nächsten Ampel, ehe diese wieder auf Grün umschaltet und sich oft mehr als 100 Kräder ein Rennen liefern. Es ist einfach der Wahnsinn! Schnell habe ich gelernt, dass sich der Vorteil, einspurig unterwegs zu sein, sehr stark relativiert, wenn man zwei Seitenkoffer an seinem Motorrad montiert hat. Um mit dem enormen Tempo der anderen Jungs mithalten zu können, musste ich wirklich Millimeterarbeit leisten. (Ich entschuldige mich hiermit in aller Form beidem fluchenden Fahrer des roten Toyota, dessen Rostlaube nun ein Andenken von mir ziert…)
Generell gilt auf Thailands Straßen, dass man am dann besten zurechtkommt, wenn man sich an keine Regeln hält. An gar keine. Was in Deutschland vermutlich mit jahrelangem Knastaufenthalt geahndet würde, dient hier tatsächlich der eigenen Sicherheit und auch der der anderen. Es würde einfach nicht anders funktionieren. Bei diesen chaotischen Verkehrsverhältnissen ist man dankbar für eine hohe Motorleistung, denn hier gilt: viel PS = viel Sicherheit! Ich bin sehr froh, auf der Super Ténéré unterwegs zu sein. Eine leichte Drehbewegung und der Zweizylinder hat mich schon so manches Mal zügig aus der Gefahrenzone herausbeschleunigt. Gut so, denn hier sollte man tunlichst vermeiden, in einen Unfall verwickelt zu werden. Klopf, klopf, klopf auf Holz… Sollte es schlimmstenfalls wirklich einmal dazu kommen, so sagte man mir mit erhobenem Zeigefinger, dann wäre man gut beraten, es so wie die Thais handzuhaben: und zwar so schnell es geht, Land zu gewinnen. Als Farang (ausgesprochen „Falang“ – so werden alle westlichen Ausländer genannt), sollte man dies sogar tun, wenn einen keinerlei Schuld am Unfall trifft. Die Polizei vertritt in Thailand nämlich die Devise, dass man als Ausländer IMMER Schuld hat. Egal unter welchen Umständen. Die Begründung ist simple: der Unfall wäre schließlich nicht passiert, wenn man daheim geblieben wäre… Nun denn, als wir das Gröbste hinter uns hatten, ging es mit hohem Tempo gen Norden. Unser Ziel an diesem Tag war die einstige Hauptstadt Siams: Ayutthaya, ein Ausflugsziel, das mit gleich mehreren beeindruckenden Ruinenanlagen gesegnet ist. Zudem stand noch der Besuch bei einem im ganzen Land bekannten Farmer auf dem Programm. Ein Mann, der hier scheinbar sowas ähnliches ist, wie seinerzeit Peter Lustig von Löwenzahn, der mir als Kind die Welt erklärt hat.
Auf seiner Farm, etwa zwei Fahrstunden nordwestlich von Bangkok, wird Stadtkindern auf wirklich sehr anschauliche und eindrucksvolle Weise der Umgang und der Wert von Lebensmitteln nähergebracht. Wie entsteht Reis, wie macht man Kokusmilch und woher kommt ein Ei – und vor allem, wie bereite ich aus all dem später ein leckeres Essen. Toll! Ganze Hundertschaften von Kindern lernen hier jeden Tag und haben dabei so viel Spaß, wie ich ihn als Kind in der Schule gerne gehabt hätte…
Gegen 18 Uhr kamen wir nach rund 260 Tages-Kilometern wieder am Ausgangspunkt an. Ein geiler Tag ging zu ende. Dachte ich jedenfalls… Denn als ich sagte, ich werde jetzt mal zurück in mein Hotel nahe der Khaosan Road fahren, um mir das Salz vom Körper zu waschen, herrschte Stille. „Das ist keine gute Idee“, sagten sie mir. Es sei schließlich Freitag. Das bedeute Feierabendverkehr vom allerfeinsten und zu allem Überfluss seien an diesem Tag auch noch die Löhne ausgezahlt worden. JEDER wolle jetzt in die Stadt, um sich zu besaufen… Was soll ich sagen, es waren die schlimmsten 20 Kilometer, die ich je gefahren, sagen wir besser gerollt bin. Als ich viereinhalb Stunden später – nassgeschwitzt und aggressiv wie selten zuvor in meinem Leben – im Hotel ankam stand für mich fest, dass ich die Stadt verlassen muss. Auch wenn wir noch ein oder zwei Touren vereinbart hatten, ich wollte nur noch eins: RAUS AUS DIESEM MOLLOCH!!!!
Egal wie gut mir Bangkok bislang auch gefallen hat. Es wurde höchste Zeit, zu verschwinden und die Reise meinem Tempo anzupassen. Nach ein paar alkoholischen Kaltgetränken im Eiltempo ging es anderntags bereits vor Sonnenaufgang in Richtung Westen. Über Kanchanaburi, der Stadt mit der berühmten Brücke am River Kwai (der eigentlich „quer“ ausgesprochen wird), bin ich immer weiter in Richtung Myanmar gefahren. Über kleinste Sträßchen und Schotterpisten endete meine Fahrt an diesem Tag erst, als ich an einem großen See ein paar Hausboote im Wasser liegen sah. Kein Mensch und vor allem kein Auto weit und breit. Für mich stand fest, dass ich genau dort die Nacht verbringen will. Für weniger als zehn Euro habe ich ein komplettes Hausboot ganz für mich alleine beziehen können. Strom gab es nur aus dem Generator, der extra von 18-21 Uhr angeworfen wurde. Wo mich gestern noch die Lärmende Metropole um den Schlaf brachte, sangen mich jetzt die Geckos sanft in den Schlaf.
Nach einem Stop in Sanglaburi, ging es anderen Tags zurück nach Kanschanaburi, wo ich ebenfalls zwei entspannte Tage verbracht habe. Ich plane nun, weiter in Richtung Chiang Mai im Norden Thailands zu fahren. Dort soll es eine berühmte Motorradstrecke mit 1.864! Kurven geben, die mir schon mehrfach wärmstens empfohlen wurde. Keine Frage, dass ich mir die nicht entgehen lassen werde…
Hier natürlich noch der Link zu meinem Freund, dem „Motografen“ – ein Seelenverwandter und unglaublich inspirierender Bursche!!! https://www.facebook.com/nikkasit/photos_albums
Dein Hausbootfoto ist genial! 🙂